Gesundheitsökonomie pervertiert den Utilitarismus

Beim Utilitarismus geht es darum, Handlungen nach dem Nutzen zu beurteilen oder zu bestimmen, welche Handlungen den größtmöglichen Nutzen für alle haben. Der Nutzen wird im Hinblick auf das Wohlergehen, Glücks- oder Lustempfinden der Menschen beurteilt. Die mathematische Formel zur Berechnung des grössten Nutzens (utility) ist die durch Massnahmen erzielte Lebensqualität, z.B. ausgedrückt in Lebensqualität pro Jahr (QALY) für möglichst viele Menschen.

Dass dieser Ansatz willkürlich und empirisch nicht belegbar ist, ist das eine, denn Lebensqualität ist keine messbare Konstante. Die Gesundheitsökonomie pervertiert den Utilitarismus, indem sie in ihren ohnehin schon realitätsfremden und übersimplifizierenden Modellen die Wirkungen der medizinischen Therapie auf die Utility (U) des Erkrankten (E) runter rechnet (Kosten=K) und die Utility der medizinischen Intervention für die Angehörigen und die sozialen und beruflichen Bezüge (S) der Erkrankten (E) ausklammert.

Im Jahr 2022 wurden unter dem Stichwort “QALY” 2232 Artikel publiziert. Die Medizin wird also intensiv durch die Gesundheitsökonomie unter die Lupe genommen. Der Effekt der QALY Modelle ist in der Summe für die Medizin negativ. Warum?

Die Modelle haben sich auf die Kosteneffektivität von U= K/Q(E) reduziert: die Modelle berücksichtigen nur die QALY der Erkrankten. Die Lebensqualität der Angehörigen wegen Erkrankungen in der Familie und die Gesellschaft werden rechnerisch ausgeblendet und damit der Effekt der Medizin auf den dadurch gesellschaftlich “isolierten” Erkrankten reduziert. Das ist aber genau nicht die Annahme des Utilitarismus. Der Utilitarismus will das Ergebnis eines Effektes auf die gesamte Gesellschaft kennen, nicht nur auf den Erkrankten. Denn schliesslich ist das Unglück der Angehörigen wegen dem Erkrankten in der Familie eine Minderung für das grösstmögliche (utilitaristische) Glück möglichst vieler Personen und damit utilitaristisch relevant.

Die Modelle haben sich auf die Kosteneffektivität von U=K/Q(E+S+V) auszuweiten. Mit V sind die gesellschaftlichen Kosten eines Todesfalles bezeichnet, welche gemäss WHO das dreifache des BIP einer Person pro Land und Jahr betragen. Für die Schweiz liegen wir hier bei 3×90’000 oder 270’000 Fr. Die QALY von (S) betragen mindestens die QALY von (E), womit sich die U/Q verdoppelt. In der Regel führen die mathematischen Anpassungen der utilitaristischen QALY an die Vorgaben des Utilitarismus zur Erkenntnis, dass die Medizin in der Regel und selbst bei hochpreisigen Medikamenten kosteneffektiv ist (Kosten/QALY <100’000 Fr oder sogar return on Investment).

In meinem Auftrag hat der VEMS ein Grundlagenpapier ausgearbeitet. welcher klar aufzeigt, wie der durch die Gesundheitsökonomie pervertierte Utilitarismus eine kosteneffektive Therapie als kostenineffektiv daherkommen lässt. Dieser gesellschaftlich massive Eingriff der Gesundheitsökonomie als verdeckte implizite Normativität entlarvt die Gesundheitsökonomie als gesellschaftlich destruktive Kraft.